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Fachtagung: Gender-Kompetenz durch Aus-, Fort- und Weiterbildung

„Gender-Kompetenz durch Aus-, Fort- und Weiterbildung“

 

Dokumentation der Fachtagung am 19. Juni 2007


Meinungen wie „Gender ist durch! Fortbildungsveranstaltungen zu Gender-Mainstreaming werden nicht mehr besucht, denn alle wissen, was Gender bedeutet“, sind heute nicht selten. Aber ist das wirklich so? Inwiefern die Widerstände in Fortbildungsveranstaltungen gegen Gleichstellung komplexer und die Strategien der Akzeptanzsicherung vielfältiger sind, war auf der 10. Fachtagung des GenderKompetenzZentrums am 19. Juni 2007 in der Humboldt-Universität zu Berlin zu „Gender-Kompetenz durch Aus-, Fort- und Weiterbildung“ das Thema. Neben Personal- und Weiterbildungsverantwortlichen aus der Verwaltung des Bundes und der Länder waren auch zahlreiche Akteurinnen und Akteure aus dem Bereich der Personal- und Organisationsentwicklung, z.B. aus Weiterbildungseinrichtungen, aus der Qualifizierung und der Führungskräfteschulung, unserer Einladung gefolgt.

Das Ziel der Fachtagung war der fachliche Austausch darüber, wie Gleichstellungsorientierung in der Aus-, Fort- und Weiterbildung wirkungsvoll erreicht und wie Gender-Kompetenz entwickelt werden kann. Damit standen sowohl Strategien der Umsetzung als auch die Frage nach dem Nutzen von Gleichstellung als Querschnittsaufgabe im Mittelpunkt: Gender-Aspekte in die Facharbeit integrieren zu können, heißt, unterschiedliche soziale, kulturelle, rechtliche, politische und ökonomische Benachteiligungen erkennen zu können, die mit Geschlecht und Faktoren wie Herkunft oder auch Alter, sexueller Orientierung oder auch dem Glauben zusammen hängen; zudem bedeutet es, die Fähigkeit zu haben, diese abzubauen. Fort- und Weiterbildungen bieten allen Mitgliedern einer Organisation, also sowohl den Führungskräften als auch den Mitarbeitenden, den Raum, diese Kompetenzen zu entwickeln. Damit lässt sich die eigene Arbeit nicht nur gerechter, sondern auch transparenter und zielgruppengenauer gestalten. Die Fachtagung hat so Wege aufgezeigt, wie die Mitarbeitenden in der Verwaltung befähigt und motiviert werden können, ihre Aufgaben gleichstellungsorientiert – und damit kreativ und effektiv – zu bearbeiten.

Prof. Dr. Susanne Baer, LL.M., Direktorin des GenderKompetenzZentrums, begrüßte die anwesenden Gäste und führte in die Fachtagung ein. Das GenderKompetenzZentrum zeigt mit seinen Angeboten Wege auf, wie sich z.B. in der Personalentwicklung und in der Fortbildungsarbeit der Ressorts systematisch Gleichstellung als Querschnittsaufgabe umsetzen lässt und wie Gender-Kompetenz vermittelt werden kann. Mit dem Thema Gleichstellungsorientierung in der Aus-, Fort und Weiterbildung wird auch ein Beitrag zur Erreichung derjenigen Ziele geleistet, die der europäische Fahrplan zur Gleichstellung der Geschlechter setzt. Der Fahrplan („Roadmap“) der Europäischen Kommission benennt als einen Schwerpunkt, die Strategie des Gender Mainstreaming zu stärken, indem Geschlechterstereotype in Bildung, Ausbildung und Kultur abgebaut werden. Dazu gehört, Konzepte des Lebenslangen Lernens zu entwickeln und den Ausbau einer gleichstellungsorientierten Weiterbildung systematisch zu fördern. Dies betonte jüngst auch die Abschlusserklärung der Gleichstellungsministerinnen in Bad Pyrmont im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft im Mai 2007 und bekräftigte damit die Förderung von Gleichstellung als Querschnittsaufgabe.

Die Beiträge der Tagung zeigten Möglichkeiten der Gleichstellungsorientierung in der Aus-, Fort- und Weiterbildung auf zwei Ebenen auf: Im ersten Teil der Tagung wurden von Renate Augstein, Sandra Smykalla, Jochen Geppert und von Maddy Muhlheims vor allem Strategien der Umsetzung von Gender Mainstreaming im Bereich der Fort- und Weiterbildung dargestellt und Chancen und Risiken bei der Durchsetzung von Gleichstellung erläutert. Im zweiten Teil der Tagung gaben Akteurinnen und Akteure aus der Bundesverwaltung – Gudrun Scheithauer, Dr. Inge Wegener, Annette Sévery, Anka Feldhusen und Dr. Frank Rückert – und eine Expertin aus der Weiterbildungsarbeit, Prof. Dr. Christiane Burbach, konkrete Einblicke in die Praxis der gleichstellungsorientierten Gestaltung von Aus-, Fort- und Weiterbildungen.

Renate Augstein, Unterabteilungsleiterin der Abteilung Gleichstellung im BMFSFJ, betonte in ihrem Eingangsstatement die zentrale Bedeutung, die der Vermittlung von Gender-Kompetenz aufgrund der Verankerung im Koalitionsvertrag der Bundesregierung zukommt. Die Erfahrungen der bisherigen Fortbildungspraxis in der Bundesverwaltung reichen von ambitionierten Schulungen, die an der Praxis der Anwendenden anknüpften, über die wissenschaftliche Begleitung in der Anfangsphase der Umsetzung von Gender Mainstreaming und die Qualifizierungsoffensive bis hin zu aktuellen ressortinternen Konzepten. Eine zentrale Erkenntnis aus dem Umsetzungsprozess bis heute ist, dass

  1. Fortbildungen zu kurz greifen, wenn sie sich nur auf das Thema Gender Mainstreaming beziehen, d.h. Fortbildungen müssen an der konkreten Facharbeit anknüpfen! Und,

  2. es inhaltlich und strategisch wichtig ist, Gleichstellung in bestehende Fortbildungen der Ressorts und in die Angebote der Fort- und Weiterbildungseinrichtungen des Bundes, insbesondere der Bundesakademie der öffentlichen Verwaltung (BAköV), zu integrieren.

Die zukünftige Anforderung ist deshalb, mehr Akzeptanz für Gleichstellungspolitik zu gewinnen, indem in Fortbildungen der fachliche „Mehrwert“ einer gleichstellungspolitischen Ausrichtung deutlich gemacht wird.

Im Anschluss stellten Jochen Geppert und Sandra Smykalla, beide wissenschaftliche Mitarbeitende im GenderKompetenzZentrum, in ihrem Vortrag „Gender-Kompetenz – Wege der Vermittlung“ Aus-, Fort und Weiterbildung in einen weiteren Rahmen und benannten Voraussetzungen für eine erfolgreiche gleichstellungsorientierte Gestaltung von Qualifizierungsmaßnahmen. Eine Bedingung für eine gelingende Umsetzung von Gleichstellung als Querschnittsaufgabe ist ein klares Verständnis von Gender als „Geschlecht im Kontext“: D.h. Lebenslagen von Frauen und Männern sind immer abhängig von ihrer ethnischen oder sozialen Herkunft, ihres Alterns, ihrer Religion und Weltanschauung, ihrer physischen, geistigen, psychischen Kapazitäten und ihrer sexuellen Orientierung. Gender-Kompetenz bedeutet Wollen – Wissen - Können: Gleichstellung fördern, bei den fachlichen Aufgaben Gender-Aspekte erkennen und Benachteiligungen durch gleichstellungsorientiertes Handeln entgegenwirken. Bei Qualifizierungsangeboten zu Gender-Kompetenz wurden bisher zwei Arten von Fortbildungen genutzt: Vor allem in der Pilotphase von Gender Mainstreaming wurden spezifische Angebote zu Gender-Themen („Gender-Trainings“) zur Einführung angeboten. Heute wird es zunehmend wichtig, die Gleichstellungsorientierung bei den Rahmenbedingungen, Methoden und Inhalten aller Angebote der Aus-, Fort-, und Weiterbildung als Querschnitt zu integrieren. Das GenderKompetenzZentrum als anwendungsorientierte Forschungseinrichtung befördert mit seinen Angeboten diesen Querschnittsansatz von Gleichstellungspolitik.

Maddy Muhlheims, Abteilungsleiterin im Ministerium für Chancengleichheit Luxemburg, stellte „Fortbildung als Teil des Nationalen Aktionsplans für die Gleichstellung von Frauen und Männern in Luxemburg“ dar. Sie präsentierte den Nationalen Aktionsplan (NAP), der vom Ministerium für Chancengleichheit erstellt und im Februar 2006 verabschiedet wurde. Im Zuge der Umsetzung des NAP wurden in 10 von 19 Ministerien „Genderkompetenzzellen“ zur Beförderung von Gender-Kompetenz eingeführt. Muhlheims betonte, dass für eine erfolgreiche Umsetzung von Gender Mainstreaming der politische Wille der Regierung sowie die Beteiligung der Leitungsebene an den Fortbildungen unerlässlich sind. Zur Qualitätssicherung des Umsetzungsprozesses ist in Luxemburg eine indikatorengestützte Evaluation eingeführt worden, die die Fortbildungspraxis und auch die Kompetenz der externen Referentinnen und Referenten bewertet, deren Ergebnisse werden in Kürze vorliegen.

Wie in der Bundesverwaltung Gleichstellung als Querschnittsaufgabe in der Fortbildung des Bundes nachhaltig verankert werden soll, stellten Gudrun Scheithauer, ehemalige Referatsleiterin des Referats Gender Mainstreaming/Gleichstellungsgesetze der Abteilung Gleichstellung des BMFSFJ und nun Referatsleiterin des Referats Generationenbeziehungen und Dr. Inge Wegener, Leiterin der Lehrgruppe 2 in der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung (BAköV) vor: Im Sommer 2007 startet das Kooperationsprojekt von BMFSFJ und der BAköV zur „Optimierung von Gleichstellungsgesichtspunkten in der Fortbildung“. Ziel des Projektes ist es, die Beschäftigten für Gleichstellung als Querschnittsaufgabe zu sensibilisieren und zu motivieren. Dazu werden mit den Verantwortlichen der BAköV, den Dozentinnen und Dozenten sowie mit der externen Unterstützung durch ein Projektteam Materialien und Arbeitshilfen zur gleichstellungsorientierten Gestaltung von Fortbildung entwickelt. Die Lehrenden und die Beschäftigten werden qualifiziert, wie unterschiedliche Lehrveranstaltungsinhalte und -themen gleichstellungsorientiert aufbereitet und Gleichstellungsaspekte praxisnah vermitteln werden können. Eine Projektsteuerungsgruppe berät den Umsetzungsprozess.

Anschließend präsentierten drei Mitarbeitende aus dem Auswärtigen Amt, Annette Sévery, Leiterin des Arbeitsstabes Gender Mainstreaming, Anka Feldhusen, Leiterin der Fortbildung, und Dr. Frank Rückert, Leiter Internationale Diplomatenausbildung/Leiter Initiative Qualität ihren Beitrag „Gleichstellungsorientierte Gestaltung von Aus- und Fortbildung – Erfahrungen und Herausforderungen". Hier geht es um Inhouse-Schulungen mit dem Vorteil der zielgruppengenauen Ansprache der Beteiligten. Gender Mainstreaming wird dabei als Qualitätsfaktor begriffen, der ein Mehr an Innovation, Effektivität und Kreativität bietet.

Prof. Dr. Christiane Burbach beschäftigt sich mit „Gender (Mainstreaming) in der Fort- und Weiterbildung: Strategien und Methoden“ aus der Perspektive ihrer Weiterbildungserfahrungen. Am Beispiel der Beratung in der Evangelischen Landeskirche erläuterte sie, wie es gelingen kann, Gender Mainstreaming in aktuelle Reformen zu integrieren. Immer wieder geht es darum, mit verschiedenen Formen und Funktionen von Widerstand in Fortbildungen sinnvoll umzugehen. Dabei hilft ein mehrdimensionaler Arbeitsansatz: Wegen der unterschiedlichen Erwartungen und Bedürfnisse der Teilnehmenden und den verschiedensten Arten von Widerständen müssen Fortbildungen flexibel und zielgruppenbezogen konzipiert werden und methodisch variieren. Sinnvoll ist eine „Optimierungsstrategie“, die bei der Verbesserung der Arbeitsfelder der Zielgruppe ansetzt und konkrete individuelle Ansatzpunkte für die einzelnen Mitarbeitenden aufzeigt.

In der abschließenden Diskussion wurde angeregt die Frage debattiert, in welchem Maße eine personenbezogene Sensibilisierung bei der Vermittlung von Gender-Kompetenz sinnvoll und notwendig ist. Weithin wird davon ausgegangen, dass die Veränderung der persönlichen Einstellungen ein wichtiger, aber auch ein schwieriger Teil der Vermittlung von Gender-Kompetenz ist; es jedenfalls immer auch um eine fachliche Anbindung von Gleichstellung gehen muss. Fortbildungen stehen also vor einer doppelten Herausforderung: Einerseits dürfen sie nicht Gefahr laufen, durch den Fokus auf persönliche Einstellungen die strukturelle und fachliche Verankerung von Gleichstellung zu ignorieren; andererseits muss darauf geachtet werden, den jeweiligen individuellen Sinn und Nutzen von Gleichstellung für die Einzelnen auch erfahrbar zu machen. Entscheidend für eine gleichstellungsorientierte Fortbildung ist es daher, die fachliche und persönliche Ebene zu trennen, aber doch im Wechselverhältnis zueinander zu bearbeiten.

Daneben wurde über Defizite der bisherigen Gestaltung von Qualifizierungsangeboten diskutiert. Rückblickend scheint das Format spezifischer Fortbildungen zu Gender-Themen problematisch. Ebenso fehlte es oft an der Einbindung in politische Prozesse und an klaren gleichstellungspolitischen Zielen. Deutlich war dennoch, dass Fortbildungen weiterhin ein wichtiger Baustein für die Durchsetzung von Gleichstellung sind. Allerdings sind keine allgemeinen Gender-Trainings gefragt, sondern, wie auch das Beispiel aus Luxemburg gezeigt hat, fachlich angebundene Veranstaltungen. Gender-Kompetenz kann insbesondere dann gut aufgebaut werden, wenn die fachlichen Schwerpunkte dort gesetzt werden, wo politisch und personell günstige Konstellationen vorhanden sind. Eine erfolgreiche gleichstellungsorientierte Gestaltung von Aus-, Fort- und Weiterbildung hängt sowohl von dem Veränderungswillen der Organisation als auch von der Überzeugung der Teilnehmenden ab!


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Smy


erstellt von Administrator zuletzt verändert: 10.05.2012 09:25